Mit dem Format „Was bedeutet eigentlich…?“ wollen wir Ihnen Fachthemen und Begrifflichkeiten rund um das ENaQ-Projekt erklären. Heute geht es um das Thema Ko-Kreation im Projekt, welches von Ernst Schäfer und apl. Prof. Dr. Ullrich Scheele von der ARSU GmbH erläutert wird.

Partizipationsverständnis

Im Zusammenhang mit dem Projekt Energetisches Nachbarschaftsquartier Fliegerhorst Oldenburg (ENaQ) werden die Begriffe Partizipation, Bürgerbeteiligung, Stakeholderbeteiligung, Ko-Kreation oder Koproduktion verwendet. Doch was sich hinter diesen verschiedenen Begriffen verbirgt und was konkret damit gemeint ist, bleibt oftmals unklar.
Generell kann der Begriff „Partizipation“ als Oberbegriff für alle Formate und Ansätze verstanden werden, bei dem es um die Einbeziehung von Individuen oder Organisationen in Entscheidungs- und Willensbildungsprozesse geht, also um die Ermöglichung der Teilhabe an diesen Prozessen (vgl. Geißel & Penrose 2003; von Schwanenflügel & Walther 2013). Diese Teilhabe kann dabei sehr unterschiedliche Formen annehmen, je nachdem, welche Ziele verfolgt und welche Fragestellungen behandelt werden oder von wem ein solcher Prozess organisiert wird (Benighaus et al. 2016; Patze-Diordiychuk et al. 2017). Zusammenfassend kann dabei zwischen Information, Diskussion & Deliberation, Ko-Kreation und Koproduktion unterschieden werden (in Anlehnung an Rohr et al. 2017):

  • Information: Eingebundene Akteur*innen werden lediglich über Projektfortschritte informiert. Es bestehen grundsätzlich keine oder nur geringe Möglichkeiten für Anmerkungen und Diskussionsbeiträge. Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Entscheidungsfindung und die Gestaltung der Lösungen sind nicht vorgesehen.

  • Deliberation & Diskussion: Eingebundenen Akteur*innen werden verschiedene Möglichkeiten für den Beitrag eigener Ansichten und eigener Ideen geboten. Es wird ein vertiefender Austausch zwischen den eingebundenen Akteur*innen angestrebt. Die Beiträge werden bei der Entscheidungsfindung und Lösungsgestaltung verarbeitet. Es besteht jedoch keine Möglichkeit zur direkten Einflussnahme auf die Entscheidungsfindung oder auf die Lösungsgestaltung.

  • Ko-Kreation: Den eingebundenen Akteur*innen werden konkrete Möglichkeiten für die Planung und Gestaltung von Lösungen und Ergebnisse geboten. Der Beitrag der Beteiligten ist somit nicht nur verbal, sondern beinhaltet auch planerische und gestalterische Elemente. Die eingebundenen Akteur*innen werden somit in den Planungs- und Gestaltungsprozess einbezogen. Die Entscheidungsfindung liegt jedoch auch hier bei den Organisator*innen und Initiator*innen solcher Prozesse.

  • Koproduktion: Im Rahmen von koproduktiven Prozessen werden die eingebundenen Akteur*innen nicht „nur“ in die Gestaltung, sondern auch in die Entscheidungsfindung, Umsetzung und möglicherweise den Betrieb von Lösungen eingebunden, bzw. die Akteur*innen organisieren und initiieren die Realisierung in Eigenregie. Dadurch können diese nicht nur Gestaltungsvorschläge einbringen, sondern sich aktiv auch an der Entscheidungsfindung und Umsetzung beteiligen.

In Projekten wie ENaQ wird nicht nur eine Form der Partizipation, sondern ein Mix aus allen oben benannten Formen angestrebt, die immer dort zum Einsatz kommen, wo entsprechende Spielräume bestehen und die jeweils gewählte Form auch sinnvoll ist. Am ENaQ-Projekt sind zahlreiche Partner*innen beteiligt und viele Handlungsebenen betroffen, aber gleichzeitig noch keine bauliche Substanz und keine Bewohner*innen vorhanden. Die Herausforderung besteht nicht nur darin Außenstehenden und potentiellen Bewohner*innen die Teilhabe zu ermöglichen, sondern auch den einzelnen Akteur*innen des Projektkonsortiums. Im Rahmen des Vorhabens sind über 20 Einrichtungen involviert, die ebenfalls partizipativ arbeiten müssen. In dem Vorhaben kann daher zwischen nach außen und nach innen gerichteter Partizipation unterschieden werden. Während die nach innen gerichtete Partizipation die formellen Projektpartner*innen ansprechen soll, richtet sich die nach außen gerichtete Partizipation an die breite Öffentlichkeit. Grundsätzlich bedient man sich der unterschiedlichen Partizipationsformen, um Entscheidungen zu legitimieren und zu diskutieren, Vorschläge und Ideen für die Gestaltung von Lösungen zu bekommen oder auch um Partner*innen zu finden, mit denen man Ideen und Projekte initiieren und realisieren kann. Damit einher gehen bestimmte positive Erwartungen, wie z. B. die Verbesserung der Ergebnis- und Prozessqualität, die Schaffung innovativerer Lösungen, eine bessere Priorisierung der Maßnahmen, die Ermöglichung der Realisierung von Maßnahmen oder einfach nur die Unterstützung bei der Entscheidungsfindung.

Planungs- und Gestaltungsebenen

Im Rahmen des ENaQ-Projektes finden Entwicklung, Planung und Gestaltung auf unterschiedlichen Ebenen statt. Diese Ebenen betreffen die Infrastrukturen, Nachbarschaften und die digitale Plattform:

  • Smart City Infrastruktur: Identifikation, Entwicklung und Erprobung von lokalen energetischen Versorgungskonzepten sowie sozialer und finanzieller Anreizsysteme für die Nutzung erneuerbarer und ressourcenschonender Energien

  • Smart City Nachbarschaften: Identifikation, Entwicklung und Erprobung nachbarschaftlicher Wohnformen sowie Konzepte für lokales Wirtschaften und nachbarschaftliche Quartiere

  • Smart City Plattform: Identifikation, Entwicklung und Erprobung von Anwendungsmöglichkeiten und Geschäftsmodellen für eine interaktive Nachbarschafts- und Quartiersplattform

Betroffen sind auf diesen Ebenen unterschiedliche Entwicklungs-, Planungs-, Gestaltungs- und Realisierungsaspekte, die jeweils verschiedene Entscheidungskompetenzen oder Wissensbestände erfordern, aber auch Spielräume bieten. So geht es im Bereich der Infrastruktur oftmals in erster Linie um die technische Ausgestaltung und Machbarkeit oder die regulatorische Realisierbarkeit lokaler Energieproduktion. Dies kann Gestaltungsspielräume sehr stark einschränken und erfordert zum Teil sehr spezifisches Wissen. In diesem Zusammenhang macht eine breite Einbindung der Öffentlichkeit in die Gestaltung und Entscheidung weniger Sinn. Anders sieht es dagegen bei der Gestaltung von Betreiber- oder Geschäftsmodellen aus, hier öffnen sich mehr Spielräume für Ideen und die Gestaltung und Umsetzung von Lösungen.

Im Bereich der Nachbarschaften besteht grundsätzlich der größte Gestaltungs- und Umsetzungsspielraum; hier gibt es weitaus mehr Platz für Kreativität und für eine niedrigschwellige Realisierung von Ideen mit überschaubarem Aufwand. Hier gibt es viele Bereiche, die durch die Menschen vor Ort selbst realisiert werden können und sogar müssen. Esgeht etwa um die Nutzung und Gestaltung des öffentlichen Raumes, des nachbarschaftlichen Zusammenlebens, der Realisierung bestimmter Mobilitätsangebote usw.

Partizipations- und Gestaltungsebenen im Rahmen des Projektes Energetisches Nachbarschaftsquartier Fliegerhorst Oldenburg, Bildquelle: ARSU GmbH

Partizipations- und Gestaltungsebenen im Rahmen des Projektes Energetisches Nachbarschaftsquartier Fliegerhorst Oldenburg, Bildquelle: ARSU GmbH

Im Zusammenhang mit der Smart City Plattform gibt es auch gute Spielräume für ko-kreative und koproduktive Prozesse. So kann es darum gehen gemeinsam die durch die Plattform bereitgestellten Dienste, Funktionen oder auch Angebote im Zusammenhang mit nachbarschaftlichem Leben zu entwickeln und zu erproben.

Hier besteht aber auch die größte Abhängigkeit zwischen vor Ort lebenden Menschen, der Gestaltung, der subjektiv wahrgenommenen Lebensqualität sowie der Umsetzung und Nutzung von Lösungen und Ideen. So wird der öffentliche Raum nur dann nachbarschaftlich genutzt, wenn er dazu auch einlädt und die Bereitstellung eines nachbarschaftlichen Lastenrades lässt sich nur dann realisieren, wenn sich genug Leute finden, die dieses Mobilitätsangebot auch betreiben und nutzen wollen.

Partizipationsräume

Mit der nach außen und nach innen gerichteten Partizipation werden im Rahmen des ENaQ-Projektes die folgenden Ziele verfolgt:

  • Anregungen & Ideen für Konzepte, Maßnahmen und Pläne für die Gestaltung des Quartiers und die potenziellen Lösungen

  • Aktivierung von Gruppen sich im Quartier zu engagieren und Maßnahmen umzusetzen

  • Weckung des Interesses für das Quartier und eventuell für ein Leben im Quartier

  • Weckung des Interesses an den Themen nachhaltiger und zukunftsfähiger Quartiere

Mit den Partizipationsmöglichkeiten im Rahmen von ENaQ sollen dabei in erster Linie potentielle Bewohner*innen, interessierte Bürger*innen, Studierende, Vereine, Verbände, wirtschaftliche Akteure und sonstige Organisationen angesprochen und aktiviert werden. Dabei sollten die Akteur*innen an einer positiven Gestaltung des Quartiers aber auch der Stadt Oldenburg interessiert sein. Die Herausforderung besteht nun darin, mit entsprechenden Formaten den unterschiedlichen Akteursgruppen verschiedene Partizipationsformen anzubieten und ihnen entsprechende Gestaltungsräume zu ermöglichen. Dabei konnten für das ENaQ-Projekt fünf Partizipationsräume identifiziert werden, die unterschiedliche Partizipationsformen ermöglichen:

Im Rahmen des ENaQ-Projektes entwickelte Partizipationsräume, Bildquelle: ARSU GmbH

Im Rahmen des ENaQ-Projektes entwickelte Partizipationsräume, Bildquelle: ARSU GmbH

  • quartier.(mit-)gestalten: Veranstaltungen, Formate und Methoden, die der Ko-Kreation und der Koproduktion mit und zwischen den Projektpartner*innen sowie allen anderen interessierten Akteur*innen dienen. Hierzu zählen z. B. Bürgerwerksätten und alle anderen Formate in denen Menschen gemeinsam diskutieren, entwickeln, planen und gestalten.

  • quartier.(im) gespräch: Veranstaltungen, Formate und Methoden, die einen Informations- und Diskussionscharakter haben, im Rahmen derer sowohl die Projektpartner*innen als auch alle anderen interessierten Akteur*innen über Entwicklungen und Themenfelder informiert werden und mitdiskutieren sollen. Hierzu zählen Formate wie OSCAR, Energiewende weiterdenken oder auch die Vorstellung des Projektes im Rahmen anderer Veranstaltungen.

  • quartier.(er-)leben: Veranstaltungen, Formate und Methoden, die das Quartier und die Lösungen greifbar und erlebbar machen. Hierunter fallen z. B. Spielabende (Changing the Game – Neighbourhood Edition), ein digitales Abbild des Quartiers, mit Hilfe dessen man virtuell, vom Computer aus durch das Quartier gehen kann, Ausstellungen zum Quartier oder auch Führungen durch das Quartier.

  • quartier.(be-)forschen: Formate und Methoden, die Studierenden und Wissenschaftler*innen die Beforschung und Umsetzung von Projekten ermöglichen. Hierzu zählen Studienseminare, Studienarbeiten, Abschlussarbeiten oder auch Studierendenprojekte, die im Rahmen des Reallabors Helleheide realisiert werden. Denkbar sind aber auch Formate von Citizen Science, mit Hilfe derer die breite Öffentlichkeit zum mitforschen angeregt wird.

Die soeben beschriebenen Partizipationsräume können dabei je nach Bedarf und Notwendigkeit in unterschiedlicher Form umgesetzt werden:

  • werkstatt|quartier: Hierzu zählen orts- und zeitabhängige Formate, dass heißt, es gibt einen konkreten Raum oder Ort, der zur festgelegten Zeit zur Verfügung steht und von den interessierten Akteur*innen in dieser Zeit aufgesucht werden muss, um sich einbringen zu können.

  • werkstatt|unterwegs: Hierunter fallen Formate der aufsuchenden Beteiligung, die auch orts- und zeitabhängig sind. Der Unterschied zu den oben genannten Formaten besteht darin, dass hier die Partizipationsmöglichkeiten auf öffentlichen Plätzen, in Alltagssituationen oder auf öffentlichen Veranstaltungen geschaffen werden (z. B. auf einem Wochenmarkt, im Einkaufszentrum oder auf dem Lambertiplatz). Man kann aber auch durch ein persönliches Anschreiben zur Partizipation aufgefordert werden. Es geht also darum, die Partizipation im Rahmen des Alltags zu ermöglichen, um den zusätzlichen Aufwand und die Einstiegsschwelle für die Beteiligten möglichst gering zu halten.

  • werkstatt|digital: Dazu zählen digitale Formate, die eine orts- und zeitunabhängige Partizipation ermöglichen. Das heißt, dass die Akteur*innen die Möglichkeit haben innerhalb eines vorgegebenen Zeitfensters sich über eine digitale Plattform von wo und wann sie wollen einzubringen. Das kann z. B. eine online Beteiligungsplattform, eine online Befragung oder generell auch die Projektwebseite sein.

Quellenangaben:

  • Benighaus, C.; Wachunger, G. & Renn, O. (2017): Bürgerbeteiligung: Konzepte und Lösungswege für die Praxis. Wolfgang Metzner Verlag, Frankfurt am Main.
  • Geißel, B. & Penrose, V. (2003): Dynamiken der politischen Partizipation und Partizipationsforschung – Politische Partizipation von Frauen und Männern. In: gender …politik…online: https://www.fu-berlin.de/sites/gpo/pol_sys/partizipation/Dynamiken_der_politischen_Partizipation/geissel_penrose.pdf (letzter Zugriff am 12.06.2020).
  • Patze-Diordiychuk, Smettan, J., Renner, P. & Föhr, T. (Hrsg.) (2017): Methodenhandbuch Bürgerbeteiligung – Passende Beteiligungsformate wählen. oekom, München.
  • Rohr, J.; Ehlert, H.; Möller, B.; Hörster, S. & Hoppe, M. (2017): Impulse zur Bürgerbeteiligung vor allem unter Inklusionsaspekten – empirische Befragungen, dialogische Auswertungen, Synthese praxistauglicher Empfehlungen zu Beteiligungsprozessen. Texte | 36/201: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2017-05-08_texte_36-2017_impulse-buergerbeteiligung_0.pdf (letzter Zugriff am 12.06.2020).
  • Von Schwanenflügel, L. & Walther, A. (2013/2012): Partizipation und Teilhabe. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/partizipation-teilhabe (letzter Zugriff am 12.06.2020).

Mit dem Format „Was bedeutet eigentlich…?“ wollen wir Ihnen Fachthemen und Begrifflichkeiten rund um das ENaQ-Projekt erklären. Heute geht es um das Thema Ko-Kreation im Projekt, welches von Ernst Schäfer und apl. Prof. Dr. Ullrich Scheele von der ARSU GmbH erläutert wird.

Partizipationsverständnis

Im Zusammenhang mit dem Projekt Energetisches Nachbarschaftsquartier Fliegerhorst Oldenburg (ENaQ) werden die Begriffe Partizipation, Bürgerbeteiligung, Stakeholderbeteiligung, Ko-Kreation oder Koproduktion verwendet. Doch was sich hinter diesen verschiedenen Begriffen verbirgt und was konkret damit gemeint ist, bleibt oftmals unklar.
Generell kann der Begriff „Partizipation“ als Oberbegriff für alle Formate und Ansätze verstanden werden, bei dem es um die Einbeziehung von Individuen oder Organisationen in Entscheidungs- und Willensbildungsprozesse geht, also um die Ermöglichung der Teilhabe an diesen Prozessen (vgl. Geißel & Penrose 2003; von Schwanenflügel & Walther 2013). Diese Teilhabe kann dabei sehr unterschiedliche Formen annehmen, je nachdem, welche Ziele verfolgt und welche Fragestellungen behandelt werden oder von wem ein solcher Prozess organisiert wird (Benighaus et al. 2016; Patze-Diordiychuk et al. 2017). Zusammenfassend kann dabei zwischen Information, Diskussion & Deliberation, Ko-Kreation und Koproduktion unterschieden werden (in Anlehnung an Rohr et al. 2017):

  • Information: Eingebundene Akteur*innen werden lediglich über Projektfortschritte informiert. Es bestehen grundsätzlich keine oder nur geringe Möglichkeiten für Anmerkungen und Diskussionsbeiträge. Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Entscheidungsfindung und die Gestaltung der Lösungen sind nicht vorgesehen.

  • Deliberation & Diskussion: Eingebundenen Akteur*innen werden verschiedene Möglichkeiten für den Beitrag eigener Ansichten und eigener Ideen geboten. Es wird ein vertiefender Austausch zwischen den eingebundenen Akteur*innen angestrebt. Die Beiträge werden bei der Entscheidungsfindung und Lösungsgestaltung verarbeitet. Es besteht jedoch keine Möglichkeit zur direkten Einflussnahme auf die Entscheidungsfindung oder auf die Lösungsgestaltung.

  • Ko-Kreation: Den eingebundenen Akteur*innen werden konkrete Möglichkeiten für die Planung und Gestaltung von Lösungen und Ergebnisse geboten. Der Beitrag der Beteiligten ist somit nicht nur verbal, sondern beinhaltet auch planerische und gestalterische Elemente. Die eingebundenen Akteur*innen werden somit in den Planungs- und Gestaltungsprozess einbezogen. Die Entscheidungsfindung liegt jedoch auch hier bei den Organisator*innen und Initiator*innen solcher Prozesse.

  • Koproduktion: Im Rahmen von koproduktiven Prozessen werden die eingebundenen Akteur*innen nicht „nur“ in die Gestaltung, sondern auch in die Entscheidungsfindung, Umsetzung und möglicherweise den Betrieb von Lösungen eingebunden, bzw. die Akteur*innen organisieren und initiieren die Realisierung in Eigenregie. Dadurch können diese nicht nur Gestaltungsvorschläge einbringen, sondern sich aktiv auch an der Entscheidungsfindung und Umsetzung beteiligen.

In Projekten wie ENaQ wird nicht nur eine Form der Partizipation, sondern ein Mix aus allen oben benannten Formen angestrebt, die immer dort zum Einsatz kommen, wo entsprechende Spielräume bestehen und die jeweils gewählte Form auch sinnvoll ist. Am ENaQ-Projekt sind zahlreiche Partner*innen beteiligt und viele Handlungsebenen betroffen, aber gleichzeitig noch keine bauliche Substanz und keine Bewohner*innen vorhanden. Die Herausforderung besteht nicht nur darin Außenstehenden und potentiellen Bewohner*innen die Teilhabe zu ermöglichen, sondern auch den einzelnen Akteur*innen des Projektkonsortiums. Im Rahmen des Vorhabens sind über 20 Einrichtungen involviert, die ebenfalls partizipativ arbeiten müssen. In dem Vorhaben kann daher zwischen nach außen und nach innen gerichteter Partizipation unterschieden werden. Während die nach innen gerichtete Partizipation die formellen Projektpartner*innen ansprechen soll, richtet sich die nach außen gerichtete Partizipation an die breite Öffentlichkeit. Grundsätzlich bedient man sich der unterschiedlichen Partizipationsformen, um Entscheidungen zu legitimieren und zu diskutieren, Vorschläge und Ideen für die Gestaltung von Lösungen zu bekommen oder auch um Partner*innen zu finden, mit denen man Ideen und Projekte initiieren und realisieren kann. Damit einher gehen bestimmte positive Erwartungen, wie z. B. die Verbesserung der Ergebnis- und Prozessqualität, die Schaffung innovativerer Lösungen, eine bessere Priorisierung der Maßnahmen, die Ermöglichung der Realisierung von Maßnahmen oder einfach nur die Unterstützung bei der Entscheidungsfindung.

Planungs- und Gestaltungsebenen

Im Rahmen des ENaQ-Projektes finden Entwicklung, Planung und Gestaltung auf unterschiedlichen Ebenen statt. Diese Ebenen betreffen die Infrastrukturen, Nachbarschaften und die digitale Plattform:

  • Smart City Infrastruktur: Identifikation, Entwicklung und Erprobung von lokalen energetischen Versorgungskonzepten sowie sozialer und finanzieller Anreizsysteme für die Nutzung erneuerbarer und ressourcenschonender Energien

  • Smart City Nachbarschaften: Identifikation, Entwicklung und Erprobung nachbarschaftlicher Wohnformen sowie Konzepte für lokales Wirtschaften und nachbarschaftliche Quartiere

  • Smart City Plattform: Identifikation, Entwicklung und Erprobung von Anwendungsmöglichkeiten und Geschäftsmodellen für eine interaktive Nachbarschafts- und Quartiersplattform

Betroffen sind auf diesen Ebenen unterschiedliche Entwicklungs-, Planungs-, Gestaltungs- und Realisierungsaspekte, die jeweils verschiedene Entscheidungskompetenzen oder Wissensbestände erfordern, aber auch Spielräume bieten. So geht es im Bereich der Infrastruktur oftmals in erster Linie um die technische Ausgestaltung und Machbarkeit oder die regulatorische Realisierbarkeit lokaler Energieproduktion. Dies kann Gestaltungsspielräume sehr stark einschränken und erfordert zum Teil sehr spezifisches Wissen. In diesem Zusammenhang macht eine breite Einbindung der Öffentlichkeit in die Gestaltung und Entscheidung weniger Sinn. Anders sieht es dagegen bei der Gestaltung von Betreiber- oder Geschäftsmodellen aus, hier öffnen sich mehr Spielräume für Ideen und die Gestaltung und Umsetzung von Lösungen.

Im Bereich der Nachbarschaften besteht grundsätzlich der größte Gestaltungs- und Umsetzungsspielraum; hier gibt es weitaus mehr Platz für Kreativität und für eine niedrigschwellige Realisierung von Ideen mit überschaubarem Aufwand. Hier gibt es viele Bereiche, die durch die Menschen vor Ort selbst realisiert werden können und sogar müssen. Esgeht etwa um die Nutzung und Gestaltung des öffentlichen Raumes, des nachbarschaftlichen Zusammenlebens, der Realisierung bestimmter Mobilitätsangebote usw.

Im Zusammenhang mit der Smart City Plattform gibt es auch gute Spielräume für ko-kreative und koproduktive Prozesse. So kann es darum gehen gemeinsam die durch die Plattform bereitgestellten Dienste, Funktionen oder auch Angebote im Zusammenhang mit nachbarschaftlichem Leben zu entwickeln und zu erproben.

Partizipations- und Gestaltungsebenen im Rahmen des Projektes Energetisches Nachbarschaftsquartier Fliegerhorst Oldenburg, Bildquelle: ARSU GmbH

Partizipations- und Gestaltungsebenen im Rahmen des Projektes Energetisches Nachbarschaftsquartier Fliegerhorst Oldenburg, Bildquelle: ARSU GmbH

Hier besteht aber auch die größte Abhängigkeit zwischen vor Ort lebenden Menschen, der Gestaltung, der subjektiv wahrgenommenen Lebensqualität sowie der Umsetzung und Nutzung von Lösungen und Ideen. So wird der öffentliche Raum nur dann nachbarschaftlich genutzt, wenn er dazu auch einlädt und die Bereitstellung eines nachbarschaftlichen Lastenrades lässt sich nur dann realisieren, wenn sich genug Leute finden, die dieses Mobilitätsangebot auch betreiben und nutzen wollen.

Partizipationsräume

Mit der nach außen und nach innen gerichteten Partizipation werden im Rahmen des ENaQ-Projektes die folgenden Ziele verfolgt:

  • Anregungen & Ideen für Konzepte, Maßnahmen und Pläne für die Gestaltung des Quartiers und die potenziellen Lösungen

  • Aktivierung von Gruppen sich im Quartier zu engagieren und Maßnahmen umzusetzen

  • Weckung des Interesses für das Quartier und eventuell für ein Leben im Quartier

  • Weckung des Interesses an den Themen nachhaltiger und zukunftsfähiger Quartiere

Mit den Partizipationsmöglichkeiten im Rahmen von ENaQ sollen dabei in erster Linie potentielle Bewohner*innen, interessierte Bürger*innen, Studierende, Vereine, Verbände, wirtschaftliche Akteure und sonstige Organisationen angesprochen und aktiviert werden. Dabei sollten die Akteur*innen an einer positiven Gestaltung des Quartiers aber auch der Stadt Oldenburg interessiert sein. Die Herausforderung besteht nun darin, mit entsprechenden Formaten den unterschiedlichen Akteursgruppen verschiedene Partizipationsformen anzubieten und ihnen entsprechende Gestaltungsräume zu ermöglichen. Dabei konnten für das ENaQ-Projekt fünf Partizipationsräume identifiziert werden, die unterschiedliche Partizipationsformen ermöglichen:

Im Rahmen des ENaQ-Projektes entwickelte Partizipationsräume, Bildquelle: ARSU GmbH

Im Rahmen des ENaQ-Projektes entwickelte Partizipationsräume, Bildquelle: ARSU GmbH

  • quartier.(mit-)gestalten: Veranstaltungen, Formate und Methoden, die der Ko-Kreation und der Koproduktion mit und zwischen den Projektpartner*innen sowie allen anderen interessierten Akteur*innen dienen. Hierzu zählen z. B. Bürgerwerksätten und alle anderen Formate in denen Menschen gemeinsam diskutieren, entwickeln, planen und gestalten.

  • quartier.(im) gespräch: Veranstaltungen, Formate und Methoden, die einen Informations- und Diskussionscharakter haben, im Rahmen derer sowohl die Projektpartner*innen als auch alle anderen interessierten Akteur*innen über Entwicklungen und Themenfelder informiert werden und mitdiskutieren sollen. Hierzu zählen Formate wie OSCAR, Energiewende weiterdenken oder auch die Vorstellung des Projektes im Rahmen anderer Veranstaltungen.

  • quartier.(er-)leben: Veranstaltungen, Formate und Methoden, die das Quartier und die Lösungen greifbar und erlebbar machen. Hierunter fallen z. B. Spielabende (Changing the Game – Neighbourhood Edition), ein digitales Abbild des Quartiers, mit Hilfe dessen man virtuell, vom Computer aus durch das Quartier gehen kann, Ausstellungen zum Quartier oder auch Führungen durch das Quartier.

  • quartier.(be-)forschen: Formate und Methoden, die Studierenden und Wissenschaftler*innen die Beforschung und Umsetzung von Projekten ermöglichen. Hierzu zählen Studienseminare, Studienarbeiten, Abschlussarbeiten oder auch Studierendenprojekte, die im Rahmen des Reallabors Helleheide realisiert werden. Denkbar sind aber auch Formate von Citizen Science, mit Hilfe derer die breite Öffentlichkeit zum mitforschen angeregt wird.

Die soeben beschriebenen Partizipationsräume können dabei je nach Bedarf und Notwendigkeit in unterschiedlicher Form umgesetzt werden:

  • werkstatt|quartier: Hierzu zählen orts- und zeitabhängige Formate, dass heißt, es gibt einen konkreten Raum oder Ort, der zur festgelegten Zeit zur Verfügung steht und von den interessierten Akteur*innen in dieser Zeit aufgesucht werden muss, um sich einbringen zu können.

  • werkstatt|unterwegs: Hierunter fallen Formate der aufsuchenden Beteiligung, die auch orts- und zeitabhängig sind. Der Unterschied zu den oben genannten Formaten besteht darin, dass hier die Partizipationsmöglichkeiten auf öffentlichen Plätzen, in Alltagssituationen oder auf öffentlichen Veranstaltungen geschaffen werden (z. B. auf einem Wochenmarkt, im Einkaufszentrum oder auf dem Lambertiplatz). Man kann aber auch durch ein persönliches Anschreiben zur Partizipation aufgefordert werden. Es geht also darum, die Partizipation im Rahmen des Alltags zu ermöglichen, um den zusätzlichen Aufwand und die Einstiegsschwelle für die Beteiligten möglichst gering zu halten.

  • werkstatt|digital: Dazu zählen digitale Formate, die eine orts- und zeitunabhängige Partizipation ermöglichen. Das heißt, dass die Akteur*innen die Möglichkeit haben innerhalb eines vorgegebenen Zeitfensters sich über eine digitale Plattform von wo und wann sie wollen einzubringen. Das kann z. B. eine online Beteiligungsplattform, eine online Befragung oder generell auch die Projektwebseite sein.

Quellenangaben:

  • Benighaus, C.; Wachunger, G. & Renn, O. (2017): Bürgerbeteiligung: Konzepte und Lösungswege für die Praxis. Wolfgang Metzner Verlag, Frankfurt am Main.
  • Geißel, B. & Penrose, V. (2003): Dynamiken der politischen Partizipation und Partizipationsforschung – Politische Partizipation von Frauen und Männern. In: gender …politik…online: https://www.fu-berlin.de/sites/gpo/pol_sys/partizipation/Dynamiken_der_politischen_Partizipation/geissel_penrose.pdf (letzter Zugriff am 12.06.2020).
  • Patze-Diordiychuk, Smettan, J., Renner, P. & Föhr, T. (Hrsg.) (2017): Methodenhandbuch Bürgerbeteiligung – Passende Beteiligungsformate wählen. oekom, München.
  • Rohr, J.; Ehlert, H.; Möller, B.; Hörster, S. & Hoppe, M. (2017): Impulse zur Bürgerbeteiligung vor allem unter Inklusionsaspekten – empirische Befragungen, dialogische Auswertungen, Synthese praxistauglicher Empfehlungen zu Beteiligungsprozessen. Texte | 36/201: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/1410/publikationen/2017-05-08_texte_36-2017_impulse-buergerbeteiligung_0.pdf (letzter Zugriff am 12.06.2020).
  • Von Schwanenflügel, L. & Walther, A. (2013/2012): Partizipation und Teilhabe. In: KULTURELLE BILDUNG ONLINE: https://www.kubi-online.de/artikel/partizipation-teilhabe (letzter Zugriff am 12.06.2020).